13.7.2023
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Jobs To Be Done Interview für Produktmanager:innen

Heute fokussieren wir uns auf das Thema Kundeninterviews und wie sie dazu beitragen können, bessere Produkte zu entwickeln. Kundeninterviews sind eine der besten Möglichkeiten, um herauszufinden, was den Kund:innen wirklich wichtig ist. Sie helfen dir, deren Bedürfnisse zu verstehen und die Qualität

Heute fokussieren wir uns auf das Thema Kundeninterviews und wie sie dazu beitragen können, bessere Produkte zu entwickeln, indem sie ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse und Ziele der Kunden vermitteln. Kundeninterviews sind eine der besten Möglichkeiten, um herauszufinden, was den Kund:innen wirklich wichtig ist. Sie helfen dir, deren Bedürfnisse besser zu verstehen und die Qualität deiner Produkte oder Dienstleistungen entsprechend zu verbessern.

Was ist Jobs-to-be-Done und warum sind Interviews bei dieser Methode wichtig?

„Jobs to be Done‟ (JTBD) ist eine Theorie und Methode, die darauf abzielt, die tieferen Motivationen und Ziele der Kund:innen zu verstehen. Mit anderen Worten: Damit verstehst du, welchen „Job‟ Kund:innen erledigen möchten, wenn sie sich für den Kauf oder die Nutzung eines bestimmten Produkts oder einer Dienstleistung entscheidet.

Durch die Fokussierung auf die Perspektive und Bedürfnisse der Nutzer:innen fördert die JTBD-Methode die Kundenzentrierung und hilft dabei, das Geschäftsmodell an den Anforderungen digitaler Kund:innen auszurichten.

Interviews sind ein zentrales Element dieser Methode – aus mehreren Gründen:

  • Tieferes Verständnis:
  • Mithilfe von Interviews erlangst du ein tieferes, reichhaltigeres Verständnis der Bedürfnisse und Wünsche deiner Kund:innen. So kannst du herausfinden, was ihre wirklichen Ziele und Herausforderungen sind und warum sie bestimmte Entscheidungen treffen.
  • Kontextbezogenheit:
  • In Interviews lernst du die spezifischen Kontexte und Umstände kennen, die dazu führen, dass Kund:innen einen „Job‟ erledigen möchten. Dieser Ansatzpunkt hilft dir, innovative Lösungen zu finden, die wirklich zu den Bedürfnissen der Kund:innen passen.
  • Ehrliche Einblicke:
  • Im Gegensatz zu Umfragen oder anderen quantitativen Methoden liefern Interviews oft ehrlichere, ungeschminkte Meinungen. Da Kund:innen hierbei frei über ihre Erfahrungen und Gefühle sprechen können, kannst du wertvolle Einblicke erhalten.
  • Unvorhergesehene Entdeckungen:
  • Interviews resultieren regelmäßig in Erkenntnissen, die du nicht erwartet hättest oder die du durch andere Forschungsmethoden nicht entdecken könntest. Du kannst neue „Job‟ finden, die deine Kund:innen erledigen möchten, oder unerwartete Hindernisse, die sie daran hindern.
  • Verbesserung der Produktentwicklung:
  • Deine Erkenntnisse aus den Interviews kannst du direkt in die Produktentwicklung einfließen lassen. Sie helfen dir, Prioritäten zu setzen, Funktionen zu definieren und die Nutzererfahrung so zu gestalten, dass sie wirklich zu den „Job‟ passt, die deine Kund:innen erledigen möchten.
  • Erster Schritt zum Verkauf:
  • Am Ende des Tages musst du ohnehin zu den Kund:innen und das Produkt verkaufen. Daher ist es nur logisch, diese von Beginn an in die Produktentwicklung einzubinden. Solltest du Schwierigkeiten haben, Personen für ein Interview zu finden, stelle dir die Frage, wie du später dein Produkt verkaufen willst. Wenn niemand über das Problem und die Herausforderung reden will, wird es sicher auch schwierig, Kund:innen für dein Produkt zu finden.

Diese sechs Punkte verdeutlichen, dass Interviews ein unverzichtbares Werkzeug der Jobs-to-be-Done-Methode sind. Sie ermöglichen es dir, deinem Team oder Unternehmen, eure Kund:innen auf einer tieferen, menschlicheren Ebene zu verstehen. So könnt ihr Lösungen entwickeln, die wirklich einen Mehrwert bieten.

Unsere Struktur für Job-to-be-Done-Interviews

Wir finden, dass die besten Interviews wie eine lockere Unterhaltung ablaufen. Interviewgast und Interviewer:in sprechen ungezwungen, ohne dass das Interview steif abläuft und „gestaged‟ wirkt.

Das Ziel soll es sein, unverfälschte Antworten zu bekommen. Dafür ist die Atmosphäre unverzichtbar. Mit einer Filterfrage, einer Einstiegsfrage und fünf Aspekten zur Reise von der Idee bis zur Lösung kannst du das Interview strukturieren:

1. Kennst du die Situation, dass [...Situation…] ?

Dies ist eine Filterfrage. Mit ihr stellst du sicher, dass du mit Kund:innen und nicht mit Expert:innen sprichst.

2. Erzähle mir vom letzten Mal, als Du [...Situation…] ?

Dies ist die tatsächliche Einstiegsfrage in eine lange Unterhaltung. Im nächsten Punkt gehst du dann auf verschiedene Aspekte davon ein.

3. Gespräch über die Reise von der ersten Idee, hin zur Suche nach Lösungen, der Auswahl und Benutzung der derzeitigen Lösung sowie der Zufriedenheit damit

a) Die erste Idee

Erkunde den initialen Gedanken von einer Lösung aus der Perspektive der Nutzer. Das ist ein kritischer Punkt, um die Motivation und das Anliegen deiner Kund:innen zu durchdringen. Finde heraus, welches Ereignis oder welche Situation die Nutzer so weit gebracht haben, dass sie nach einer Lösung für ihr Problem suchten. Dieser Auslöser, ob situativ oder emotional, ist grundlegend für die Kaufentscheidung.

Folgende beispielhafte Fragen könnten hierbei hilfreich sein:

  • Kannst du dich an den Moment erinnern, in dem dir zum ersten Mal bewusst wurde, dass du eine Lösung für dieses Problem benötigst? Erzähl mir mehr darüber…
  • Kannst du den spezifischen Moment identifizieren, in dem du realisiert hast, dass du eine Lösung benötigst?
  • Warum hast du gerade an diesem Tag damit begonnen, nach einer Lösung zu suchen?
  • Was hat diesen Tag oder diesen Moment so besonders gemacht, dass du mit der Suche nach einer Lösung begonnen hast?

Mit diesen Fragen kannst du tiefer in die Erfahrungen und Gefühle deiner Kund:innen eintauchen, um ein vollständiges Bild von ihrer Motivation und ihrem Bedürfnis nach einer Lösung zu erhalten.

b) Die Suche nach einer Lösung

Wenn Kund:innen tatsächlich eine wichtige Aufgabe – einen Job – zu erledigen haben, so haben sie wahrscheinlich in der Vergangenheit bereits nach Lösungen gesucht. Falls diese Suche nicht beschrieben werden kann, ist das Problem, die Aufgabe oder Herausforderung nicht relevant genug. Andernfalls kannst du mit einem Gespräch über diese Suche sicherstellen, dass du an einem relevanten Problem arbeitest, und wertvolle Einblicke sammeln, wie, wo und mit welcher Intensität die Suche stattfand. Daran erkennst du die Dringlichkeit des Problems. Zudem lernst du so Informationskanäle potenzieller Kund:innen kennen, die du später für deine Marketing- und Kommunikationsstrategien einsetzen kannst.

Effektive Fragen zum Erkunden dieser Phase könnten sein:

  • Wie hast du deinen Suchprozess gestartet? Hast du eine Online-Suche durchgeführt?
  • Welche spezifischen Suchbegriffe hast du verwendet?
  • An welche Websites oder Ressourcen kannst du dich erinnern, die du genutzt hast? Hast du dich an Freunde oder Bekannte gewandt?
  • Welche Optionen hat dein Freund dir vorgeschlagen? Erzähl mir mehr über dieses Gespräch...
  • Wie lange hat es von deiner ersten Problemfeststellung bis zum tatsächlichen Kauf gedauert?

c) Abwägung der Alternativen/ Evaluierung der Value Proposition

Jetzt fokussierst du dich auf Merkmale und Funktionen, die für den Prozess der Kaufentscheidung ausschlaggebendsind. Die Bewertung der Vor- und Nachteile verschiedener Optionen liefert dir wertvolle Informationen, welche Aspekte eines Produkts unverzichtbar sind und welche die Ziele die Kund:innen damit verfolgen. Diese Erkenntnisse über die Stärken und Schwächen (Pains & Gains) bestehender Lösungen kannst du dann im Value Proposition Canvas aufgreifen und visualisieren. So erhältst du ein genaues Kundenprofil.

Um vergangene Nutzungsentscheidungen zu verstehen, könntest du etwa folgende Fragen stellen:

  • Warum hast du dich für die aktuelle Lösung entschieden? Welche spezifischen Merkmale waren dir besonders wichtig?
  • Gibt es Funktionen, die deiner aktuellen Lösung fehlen? Warum würdest du gerne über dieses Feature verfügen? (Dies gibt dir Einblicke in die tatsächlichen Ziele der Kund:innen.)
  • Welche anderen Faktoren spielten bei deiner Entscheidungsfindung eine Rolle?
  • Was schätzt du besonders an deiner aktuellen Lösung?
  • Was sind Aspekte, die dich an deiner aktuellen Lösung stören?
  • Hast du in der Vergangenheit bereits andere Produkte oder Dienstleistungen genutzt?

d) Derzeitige Lösung

Nun bringst du in Erfahrung, was die derzeitige Lösung für die Aufgabe oder das Problem ist, und wie diese funktioniert. Wie Kund:innen ihre aktuelle Lösung nutzen, versorgt dich mit wertvollen Informationen über die Schmerzpunkte oder Schwächen und die Vorteile der bestehenden Lösung. Diese kannst du nutzen, um eine bessere Lösung zu gestalten und so einen erheblichen Mehrwert für deine Kund:innen zu schaffen.

Für tiefere Erkenntnisse in dieser Phase könnten folgende Fragen hilfreich sein:

  • Wie machst du das heute? Was nutzt du heute?
  • Was schätzt du an deinem derzeitigen Produkt oder Service besonders?
  • Gibt es Aspekte, die dich stören oder frustrieren?
  • Zeige mir doch mal, wie du deine bestehende Lösung nutzt!
  • Wie funktioniert die Lösung für dich im Alltag?
  • Könntest du mir den spezifischen Prozess zeigen, wie du es machst? (Hier ist es wichtig, konkrete Informationen zu erhalten)
  • Wie viel Zeit oder Geld investierst du in die Verwendung der aktuellen Lösung?

e) Review / Reflexion

In Interviews neigen wir oft dazu, uns auf sachliche Informationen zu konzentrieren und die Beschreibungen der Kund:innen als Indikatoren ihrer Zufriedenheit zu interpretieren. Wir halten es jedoch immer für empfehlenswert, gegen Ende des Gesprächs die Interviewpartner nach ihren persönlichen Empfindungen und Meinungen zu fragen. Diese reflektierenden Fragen bringen die Befragten dazu, auf einer Meta-Ebene über das Problem und die Lösung nachzudenken.

Um tiefer in die persönliche Sicht der Kund:innen einzutauchen, könntest du diese Fragen stellen:

  • Wie beurteilst du deine aktuelle Lösung?
  • Bist du generell zufrieden mit...?
  • Es scheint, als ob du mit der aktuellen Lösung weitgehend zufrieden bist. Gibt es etwas, das du daran ändern würdest?
  • Wie empfindest du die Benutzung dieser Lösung?
  • Hast du jemals jemandem von diesem Produkt erzählt? Was hast du dabei gesagt?
  • Wenn wir in der Lage wären, das Produkt für dich zu verbessern, was wären deine Wünsche?
  • Wie würdest du dich fühlen, wenn du dein aktuelles Produkt verlieren würdest?
  • Stell dir vor, wir könnten dir jede erdenkliche Lösung bauen. Was wünschst du dir am meisten?

Vom Interview zur Value Proposition: Übertragung deiner Erkenntnisse

Nun hast du ein Interview durchgeführt und Erkenntnisse gesammelt. Um diese effektiv zu nutzen, solltest du sie anschließend auf ein Value Proposition Canvas übertragen. Dies ist ein effektives Werkzeug für die tiefgründige Analyse und Zusammenfassung deiner Interviewdaten. Wir schlagen dafür diese fünf Leitsätze vor:

1. Die Situation und das Ziel der Kund:innen formen das Segment.

Während Kund:innen häufig mit Personas segmentiert werden, haben wir festgestellt, dass dies im Produktmanagement weniger effektiv ist als im Marketing. Im Produktmanagement ist die spezifische Situation, in der Kund:innen ein Produkt nutzten, von zentraler Bedeutung. Die Situation und das Ziel – der Job – definieren somit ein Kundensegment im Produktmanagement.

2. Die Idee der Kund:innen liefert tiefe Einblicke in ihr Ziel (Job).

Was genau ist der Job to be done? Was motiviert die Kund:innen und warum halten sie nach einer Lösung Ausschau? Die Antworten auf diese Fragen finden sich oft in der initialen Idee der Kund:innen. Die Frage „Wann hast du zum ersten Mal darüber nachgedacht, etwas in deinem Leben zu ändern?‟ deckt oft die wahren Anforderungen und Ziele der Kund:innen auf.

3. Die Phasen des Vergleichs und der Benutzung liefern wichtige Informationen über die Gainsund Pains der Kund:innen.

Mit anderen Worten, die Vor- und Nachteile bestehender Produkte und Lösungen geben dir einen tiefen Einblick in die Bedürfnisse und Herausforderungen der Kund:innen.

4. Die Suche der Kund:innen offenbart die Relevanz des Ziels.

Suchen Kund:innen aktiv nach einer Lösung, zeigt das, dass das Problem für sie bedeutend genug ist, um diesen Aufwand zu rechtfertigen. Ist das nicht der Fall, ist das Problem wahrscheinlich nicht dringlich genug und das Ziel könnte irrelevant sein.

5. Die Reflexion ermöglicht die Überprüfung und Gewichtung der Gains und Pains.

Am Ende des Interviews reflektiert ihr gemeinsam die aktuelle Lösung. Was funktioniert gut und was weniger gut? Diese Überlegungen helfen dir, die Bedürfnisse der Kund:innen besser zu verstehen und zu gewichten.

Den Value Proposition Canvas haben wir bereits in mehreren Artikeln erwähnt. Hier findest du ein ausführliches Video dazu!

Fazit

Jobs-to-be-done-Interviews sind einfach und dennoch wirkungsvoll Strategie: Um die wahren Bedürfnisse deiner Kund:innen zu verstehen, gibt es kaum eine bessere Methode als sie direkt zu befragen. So kannst du Kundenbedürfnisse und Marktchancen durch eine neue Linse betrachten. Das erinnert uns daran, dass der Schlüssel zu wirklicher Innovation oft in einem tiefen, empathischen Verständnis unserer Kund:innen liegt.

Weitere Ressourcen:

Für weitere Informationen und detaillierte Beispiele empfiehlt Thomas folgende Bücher:

Zu JTBD-Interviews:

  • The Jobs-to-be-Done Handbook
  • von Bob Moesta und Chris Spiek - Ein kurzes aber gutes Buch, welches die Struktur des JTBD Interviews erklärt. Wesentliche Ideen dieses Artikels stammen aus diesem Buch.  

Zu Interviews allgemein:

  • The Mom Test
  • von Rob Fitzpatrick -  Ein kurzes und knackiges Buch, welches dir dir bei Interviewfragen weiterhilft. Absolute Pflichtlektüre.  

Zu JTBD allgemein:

  • Competing Against Luck von Clayton M. Christensen - DAS Buch, wenn es um JTBD geht. Hier beschreibt Clayton Christensen Jobs to be Done.
  • When Coffee and Kale Compete von Alan Klement - Sehr gutes Buch. Anwendungsbezogen und mit vielen Beispielen. Gibt es zu kaufen bei Amazon oder als kostenlosen Download.
  • Intercom on Jobs to be Done von Intercom (Download) - Sehr gute kostenlose Lektüre zum Thema von Intercom.

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